Frauen als Führungskräfte: Herausforderungen und Perspektiven

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von Barbara Brecht-Hadraschek

Ria Schneider, Geschäftsführerin tandem BTL gGmbH, Kinder- und Jugendhilfe in Berlin
Ria Schneider, Geschäftsführerin tandem BTL

Immer noch sind nur rund ein Drittel der Führungskräfte in Deutschland Frauen. Anlässlich des Internationalen Frauentages haben wir mit unserer Geschäftsführerin, Ria Schneider, über ihre Erfahrungen gesprochen. Was muss sich ändern, damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen? ­ Und was rät sie jungen Frauen, die mehr Verantwortung übernehmen wollen?

Redaktion: Glauben Sie, dass Frauen andere Führungspersönlichkeiten sind als Männer?

Ria Schneider: Ich glaube nicht wirklich, dass das Geschlecht entscheidend ist. Aber ich sehe, dass sich Frauen aufgrund ihrer Sozialisation viel mehr um eine angemessene Qualifikation und Weiterbildung, sprich das notwendige Handwerkszeug für eine Aufgabe und Position kümmern – und genau das kommt dann auch dem Unternehmen und den Mitarbeitenden zugute.

Redaktion:  Sind Sie schon einmal in der Situation gewesen, dass Sie als Frau nicht gleichwertig behandelt wurden wie ein männlicher Kollege?

Ria Schneider:  Es ist immer noch so, dass Frauen dieselbe Arbeit für weniger Geld angeboten bekommen. Mir ist das wiederholt passiert. Solche Ungleichbehandlung ist nach wie vor nicht ungewöhnlich.

Redaktion:  Was waren Ihre persönlichen Erfolgsbausteine auf dem Weg nach oben? Was würden Sie anderen Frauen auf dem Weg nach oben raten?

Ria Schneider:  Frauen verkaufen sich zu schlecht und ziehen zu schnell zurück. Ich möchte Frauen raten, mehr loszulegen und mehr Vertrauen ins eigene Können zu haben und nicht aufzugeben, wenn sie mal hinfallen und eine Entscheidung oder ein Job misslingt. Dann gilt es wieder aufzustehen und neu anzupacken. Das ist bei Männern nicht anders, aber Frauen gehen da viel mehr mit sich ins Gericht, haben oft einen zu allumfassenden Anspruch an sich.

Redaktion:  Woran könnte es liegen, dass Frauen eher in sozialen Unternehmen in Führungspositionen gelangen als in der „harten“ Wirtschaft?

Ria Schneider:  Das hängt nicht unwesentlich damit zusammen, dass in sozialen Organisationen Frauen in überdurchschnittlicher Zahl in der operativen Arbeit vertreten sind, z. B. in Kitas und Schulen. Die Chance, dann auch aufsteigen zu können, steigt damit grundsätzlich. Dennoch besteht nach wie vor so etwas wie eine ‚gläserne Decke‘: Je mehr Verantwortung und je entscheidender das Gremium ist, wie z.B. Geschäftsführungen oder Vorstände, desto geringer wird der Frauenanteil, auch in sozialen Organisationen. Selbst hier braucht es ein proaktives Handeln der Entscheider und so etwas wie eine selbstverpflichtende Frauenquote.

Redaktion:  Weltweit ist Deutschland eines der Schlusslichter, wenn es um das Thema weibliche Führungskräfte geht. Wie könnten weibliche Führungskräfte gefördert werden? Was müsste sich aus Ihrer Sicht verändern, damit Frauen und Männer die gleichen Chancen haben?

Ria Schneider:  Ich denke, es braucht, wie gesagt, den Willen der Entscheider und eine Selbstverpflichtung zu einer Frauenquote, auch im sozialen Bereich und für die sogenannten Organe von Organisationen. Frauen sollten auch gezielter angesprochen werden, und die Arbeitsgestaltung sollte offener werden, so dass sich Beruf mit familiären und privaten Verpflichtungen unterschiedlicher Art besser vereinen lassen, ob zugunsten von Kinderbetreuung, Nachbarschaftshilfe oder Ehrenamt. Dazu gehören auch digitalisierte Arbeitsplätze, die Möglichkeit zu temporärem Home Office oder Sabbaticals. Zur Unterstützung wären Mentor*innenprogramme hilfreich, jungen Frauen in Führungsaufgaben eine erfahrene Patin zur Seite zu stellen. Das könnten ehemalige Führungskräfte sein, die ihre Erfahrung weitergeben wollen.

All das ist noch in den Kinderschuhen. Und bis zur Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen ist es noch ein langer Weg. Und dennoch ist auch Einiges erreicht. Die Frauenrechte sind im Grunde ja noch jung: Das Wahlrecht für Frauen gibt es 100 Jahre, aber selbst in der Nachkriegszeit in Westdeutschland gab es noch wenig eigene Entscheidungsmöglichkeit, es bestimmten Väter und Ehemänner über Ausbildung, Arbeit und Führerschein einer Frau; das liegt gerade mal eine Generation zurück. Also nicht verzagen, sondern diesen Weg konsequent weiter gehen.

Ich denke, wir Frauen sollten selbstbewusster und mutiger sein, aber auch manchmal etwas geduldiger mit den männlichen Kollegen und Entscheidern.

Der aktuelle Fachkräftemangel wird sicher in diesem Punkt positive Auswirkungen haben: Eine Gesellschaft, die um kompetente Fach- und Führungskräfte ringen muss, kann es sich gar nicht leisten, die ‚Ressource Frau‘ zu vergeuden, sondern muss diese bedeutender in den Blick, sprich auch in verantwortungsvolle Positionen nehmen.

Redaktion: Liebe Frau Schneider, wir danken für das Gespräch.


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